Ich und mein Team

Hast du schon einmal das Gefühl gehabt, dass in deinem Kopf eine ganze Teamsitzung stattfindet? Unterschiedliche Stimmen melden sich zu Wort, jede mit ihrer eigenen Perspektive: rational, kreativ, vorsichtig oder mutig.

Willkommen bei deinem Inneren Team – deinem unsichtbaren Beraterstab, der sich oft dann zu Wort meldet, wenn es wirklich wichtig wird.

Doch wie bringst du diese unterschiedlichen Stimmen in Einklang?

Der Begriff „Inneres Team“ wurde vom Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun geprägt.

 

Sein Modell basiert auf Erkenntnissen der Kommunikationspsychologie und der systemischen Theorie und wird seit Jahren erfolgreich in der Persönlichkeitsentwicklung angewendet. Es hilft uns, die Dynamik unserer inneren Dialoge besser zu verstehen, indem wir die Stimmen bewusst wahrnehmen und moderieren.

 

Unser Inneres Team ist eine wertvolle Ressource, die uns dabei unterstützt, bewusster und ausgewogener zu entscheiden und zu handeln – sei es im Alltag oder bei großen Herausforderungen.

Ein saisonales Praxisbeispiel

M. aus A. entdeckt im Laden neue Weihnachtsdeko – und schon geht sie los, die Diskussion in ihrem Inneren:

 

Die Trendbewusste:

„Uh, das ist gerade total angesagt – muss ich haben!“


📦 Die Pragmatikerin:

„Echt jetzt? Hast du nicht schon genug Kisten mit Weihnachtskram im Keller?“


🤔 Die Skeptikerin:

„Brauchen wir das wirklich? Außerdem muss man nicht jeden Trend mitmachen!“


🎨 Die Kreative:

„Das wäre mal was Neues! Ich hab auch schon Ideen, wie ich das kombinieren kann – und dann bastel ich noch ... was für ein Spaß!“


🧹 Die Ordentliche:

„Jetzt mal langsam, wir brauchen einen Überblick, was wir alles haben. Lass uns erst ausmisten – wir sehen ja vor lauter Kisten die Tanne nicht mehr!“


💸 Die Besorgte:

„Das Geld könnten wir sinnvoller investieren. Da steht doch auch noch eine Reparatur an!“


😍 Die Genießerin:

„Ich werde mich jedes Mal freuen, wenn ich die neue Deko sehe. Das macht unser Zuhause noch gemütlicher!“

Ganz schön viele Meinungen für eine vergleichsweise kleine Entscheidung, oder?

Zum Glück ist das "Deko-Dilemma" ein Thema ohne große Konsequenzen für M. aus A.

Und obwohl es hier nur um Weihnachtsdeko geht, zeigt das Beispiel gut, wie unterschiedlich und teils widersprüchlich die Stimmen sein können – ein Spiegelbild unserer inneren Welt. 

 

Doch was passiert, wenn die Entscheidungen wirklich wichtig werden?

 

Zum Beispiel:

 

Soll ich das neue Jobangebot annehmen? Soll ich den Schritt in die Selbstständigkeit wagen? Oder wie gehe ich mit einem tiefgreifenden Konflikt in der Familie um?

 

Und was passiert, wenn sich unser Beraterteam bei "unbewussten Dingen" zu Wort meldet?

 

Manchmal nehmen wir die Aussagen unseres Inneren Teams nicht als klar formulierten Gedanken, sondern als Gefühl wahr. Du kennst es als dieses Bauchgefühl, z. B. "das dumpfe Gefühl im Magen". Es kann ganz schön knifflig sein, die Aussage hinter dem Gefühl zu erforschen.

 

 

In solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig und hilfreich es ist, die inneren Stimmen zu moderieren und in einen produktiven Dialog zu führen.

 

 

Wie die Arbeit mit dem Inneren Team in der Coaching-Praxis gestaltet werden kann, verdeutlicht dieses Beispiel:

Ein Klient kommt mit dem Anliegen "Impulskontrolle" ins Coaching.

Sein Setting

  • gesund, 49 Jahre alt
  • erfolgreich, Abteilungsleiter
  • alleinerziehend, 2 Töchter
     

Sein Problem

„Irgendetwas hat sich verändert. Ich springe für jedes Kinkerlitzchen aus der Hose. Manchmal werde ich total giftig – mir tut das im Nachhinein oft leid, aber in immer mehr Momenten kann ich diese „Wut“ einfach nicht bändigen. Ich muss das unter Kontrolle bringen! Denn mein ständiger Groll sorgt mittlerweile dafür, dass ich kaum noch Freude empfinde. Mein Job, den ich immer gerne gemacht habe, macht mir z. B. gar keinen Spaß mehr. Vielleicht ist das mein Problem? Vielleicht brauche ich einen neuen Job!?“
 

Die Arbeit mit dem Inneren Team

Der Klient ist skeptisch, die Arbeit mit dem Inneren Team betreffend. "Haha, ich höre keine Stimmen - aber ich bin offen für einen Versuch!"

Es stellt sich heraus, dass sich sein Inneres Team "indirekt" - in Form von wahrgenommenen Gefühlen und Antreibern - Ausdruck verleiht. Im Coachingprozess gelingt es, diesen zu ergründen und in "Aussagen zu übersetzen":


Der Ehrgeizige:

„Wenn wir dieses große Projekt auch noch übernehmen und erfolgreich abschließen, macht das meine Mitarbeitenden stolz und unser Abteilungsbudget für nächstes Jahr erhöht sich.“

Der Starke:

„Natürlich kriege ich das alles unter einen Hut – ich habe bisher jede Herausforderung gemeistert!“

Der Liebende:

„Meine Mädchen sind mein Ein und Alles. Ich will ein guter Vater sein und ihnen alle Möglichkeiten bieten.“

Der Verantwortungsbewusste:

„Ich muss dafür sorgen, dass unser Lebensunterhalt gesichert ist.“

Der Loyale:

„Ich fühle mich meinem Arbeitgeber und meinen Mitarbeitenden verpflichtet – ich will gute Leistung erbringen.“

Der Dankbare:

„Ich habe wirklich keinen Grund zu meckern. Tolle Kinder, toller Job, tolles Team, Erfolg, Gesundheit – mir geht es gut.“

All diese Stimmen haben ihre Berechtigung, eine positive Intention und einen motivierenden Antrieb.

Allerdings sind sie so dominant, dass der Überforderte: „Mir ist das alles zu viel, ICH bleibe auf der Strecke.“ völlig überhört wird - weshalb sich der Wütende: „Jetzt reicht es, ich habe die Nase voll!“, genötigt sieht, dem Überforderten zu Hilfe zu eilen – und zwar sehr wehement.

Der Weg zur Veränderung

Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt und ein erster Erfolg: Der Klient erkennt, dass seine Wut nicht aus einem unpassenden Job resultiert, sondern aus einer allgemeinen Überforderung.

Im weiteren Verlauf des Coachings bringt das An- und Erkennen der verschiedenen Stimmen und Bedürfnisse seines Inneren Teams eine entscheidende Wende. Er entwickelt neue Perspektiven und definiert konkrete Schritte zur Entlastung und Selbstfürsorge.

Er stärkt diese Veränderungen im Alltag durch Selbstreflexion und integriert sie gezielt. Am Ende des Coachings sagt er: „Ich fühle mich erleichtert, und 'der giftige Typ' ist verschwunden.“

Ein schönes Beispiel dafür, wie kraftvoll die Arbeit mit dem Inneren Team wirken kann.

Das Innere Team - eine Methode für mehr Klarheit

Das Innere Team zeigt uns, wie unterschiedlich und oft widersprüchlich unsere inneren Anteile sein können. Jede Stimme hat ihre Berechtigung – sei es, uns zu schützen, zu inspirieren oder vor möglichen Gefahren zu warnen. Doch wenn diese Stimmen ungeordnet bleiben - oder wir sie als Gefühle, die wir nicht zuordnen können, wahrnehmen - können sie uns blockieren.

 

Die folgende Übung kann helfen, diese Dynamiken zu erkennen und bewusst zu steuern.

/// Ü B U N G : Ich und mein Team

So moderierst du dein Inneres Team

Möchtest du eine Methode ausprobieren, mit der du deinem Inneren Team eine klare Richtung gibst? Mit dieser einfachen Übung kannst du lernen, deine inneren Stimmen in Einklang zu bringen und von ihnen zu profitieren:

1

Einladung & Teammitglieder identifizieren

Formuliere klar, worüber du mit deinem Inneren Team sprechen möchtest und lade es zu einem imaginären Meeting ein. Notiere die Stimmen, die sich melden, und gib ihnen Namen wie „die Mutige“, „die Kritische“ oder „die Beruhigende“. Beschreibe, welche Anliegen oder Argumente sie vertreten.

2

Alle dürfen zu Wort kommen

Gib jeder Stimme Raum. Was möchte sie? Welche Bedenken oder Wünsche äußert sie? Manche Stimmen sind lauter, andere zurückhaltender – achte darauf, dass alle gehört werden. Falls dich eine bestimmte Stimme blockiert, frag dich: „Was ist ihre Absicht? Warum tritt sie so dominant auf?“ Ziel ist es, alle Perspektiven wahrzunehmen, ohne dich von einer einzelnen Stimme überwältigen zu lassen.

3

Moderation übernehmen

Übernimm die Rolle des Teamleiters/der Teamleiterin und leite die Diskussion. Stelle Rückfragen und suche Kompromisse, die die Perspektiven deiner Stimmen berücksichtigen. Frage dich: „Welche Stimme ist für diese Entscheidung besonders relevant?“ Und: „Welche kann ich zurückstellen, ohne etwas Wesentliches zu übersehen?“ Vielleicht entdeckst du sogar Synergien zwischen den Stimmen, die dir vorher gar nicht bewusst waren. Als Moderator behältst du die Kontrolle und sorgst dafür, dass die Diskussion in eine konstruktive Richtung führt.

T I P P S :

  1. Teile die Übung mit einer anderen Person. Beschreibe ihr die Stimmen und besprecht gemeinsam, was diese möglicherweise sagen wollen. Das kann dir neue Perspektiven eröffnen – und sorgt oft auch für den einen oder anderen humorvollen Moment.
  2. Hab Geduld - die Arbeit mit dem Inneren Team ist ein Prozess, der für manche ein wenig mehr Übung erfordert.
  3. Pass auf dich auf - besonders bei komplexen Themen oder stark emotionalen Situationen können einzelne Stimmen sehr dominant oder überwältigend wirken. In solchen Momenten kann es hilfreich sein, mit professioneller Unterstützung tiefer in die Dynamik deines Inneren Teams einzutauchen, um die "Motivation hinter dem Motiv" und die Perspektiven der Stimmen klarer zu erkennen.

Die Mehrdimensionalität des Inneren Teams

Unser Inneres Team ist mehr als eine Ansammlung von Stimmen - oder Gefühlen. Es ist eng mit unseren Persönlichkeitsmerkmalen und Erfahrungen verknüpft.
 
Um dein Inneres Team noch besser zu verstehen, lohnt sich daher auch ein Blick auf die Faktoren, die seine Dynamik prägen:

Persönlichkeitsmerkmale

Deine individuelle Persönlichkeit prägt, welche Stimmen in deinem Inneren besonders laut oder dominant sind.

Die Big Five – Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus – sind ein bewährtes Modell, um diese Merkmale genauer einzuordnen. Zum Beispiel könnte eine hohe Gewissenhaftigkeit dazu führen, dass die 'Perfektionistin' am lautesten ist.

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Resilienzfaktoren

Deine innere Stärke und emotionale Flexibilität beeinflussen, wie souverän du mit widersprüchlichen Stimmen umgehst.

Resiliente Menschen können oft schneller zwischen verschiedenen Perspektiven wechseln und konstruktive Lösungen finden. Beispielsweise mag in einer stressigen Situation die 'Besorgte' besonders laut werden, doch Resilienz hilft dir, diese Stimme wahrzunehmen, ohne dich von ihr überwältigen zu lassen. Du kannst bewusst gegensteuern, etwa indem du die 'Mutige' oder die 'Pragmatikerin' stärkst.

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Innere Antreiber 

Die Inneren Antreiber, wie sie in der Transaktionsanalyse beschrieben werden, sind prägende Glaubenssätze, die uns antreiben und lenken. Sie können unsere inneren Stimmen verstärken oder dominieren. Zum Beispiel sorgt der innere Antreiber 'Streng dich an' oft dafür, dass die 'Kritische' oder die 'Besorgte' besonders laut wird.

Die inneren Antreiber stammen häufig aus frühen Lebenserfahrungen und beeinflussen unsere inneren Dialoge unbewusst. Indem du diese Mechanismen erkennst, kannst du bewusst entscheiden, ob und wie du diesen Stimmen mehr Raum gibst oder sie in Balance bringst.

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Du bist der Teamleiter/die Teamleiterin deines Lebens

Und dein Inneres Team ist ein starker Verbündeter

Jede Stimme, die sich meldet, ist ein wertvoller Teil von dir und verdient Gehör. Indem du ihnen Raum gibst und sie mit Mut und Klarheit moderierst, schaffst du Harmonie in deinem Inneren. So wirst du bewusster, gelassener und gestärkter durch deinen Alltag gehen können.

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